Sonntag, 6. September 2009

Alles Käse.

Aus den Manufactum-Hausnachrichten, Herbst 2009:

Wohl niemand hätte für möglich gehalten, daß sich obige Feststellung einmal als qualitätsentscheidender Faktor beim Beurteilen von Lebensmitteln entpuppen würde. Seit uns jedoch Produkte wie Gel-Schinken (behördlich attestierter Spitzenreiter ist ein "Schinken" mit gerade 38% Fleischanteil) und Analogkäse heimsuchen, kann man angesichts einer Pizza nur hoffen, daß darauf wirklich "Alles Käse" ist - und eben nicht die euphemistisch verbrämte Mixtur aus Wasser, Milch-, Soja- oder Bakterieneiweiß, Emulgatoren, Aroma- und Farbstoffen sowie Geschmacksverstärkern.
Vielleicht sollte man zur Kennzeichnung solcher Erzeugnisse - das Wort Lebensmittel mag man in diesem Kontext genausowenig in den Mund nehmen wie den Analogkäse selbst - vielmehr auf bewährte Wortschöpfungen der Möbelindustrie zurückgreifen und dem Verbraucher einfach eine Pizza mit Käseoptik andienen. (Denkbar ist allerdings eher, daß die für solche Wortschöpfungen auch stets dankbare Möbelbranche künftig Kunststofftische mit Holzoptik als Analogholz verkauft.)
Mittelerweile empört sich auch die durch die umfangreiche Berichterstattung vom Boulevard bis zum Feuilleton aufgerüttelte breite Öffentlichkeit über diese Auswüchse. Genauer betrachtet waren diese jedoch leicht vorhersehbar, zudem sind sie alles andere als neu. Leicht vorhersehbar, weil jedem, der Zwei und Zwei zusammenrechnen kann, klar sein muß, daß der gnadenlose Preiskampf im Lebensmittelsektor (und ganz besonders in dessen unterstem Segment) gravierende Auswirkungen auf die Qualität haben muss. Nicht neu, weil beispielsweise die Wurst schon vor 100 Jahren als Paradebeispiel eines undurchschaubaren Lebensmittel galt, von dem Otto von Bismark sagte: "Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, um so besser schlafen sie."

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